Vor einiger Zeit habe ich mich hier schon mal eingehend mit dem Thema „Zugbildungspläne“ beschäftigt, damals war mir im Geheimen Staatsarchiv in Berlin der 1897er-Plan der KED Essen in die Hände gefallen.
Mittlerweile sind wir zweieinhalb Jahre weiter und die ein oder andere Information ist dazu gekommen, deswegen mache ich hier das Thema – diesmal allerdings für die KED Elberfeld – noch einmal auf.
Vorab aber noch kurz die Information, dass mir mittlerweile die Lagerorte von drei weiteren Zugbildungsplänen bekannt geworden sind. Damit stehen wir jetzt bei bisher bekannten sechs noch vorhandenen Plänen:
– KED Breslau, ab Okt 1909 und ab Mai 1910: Staatsbibliothek, Berlin
– KED Cöln, Sommer 1897 + Winter 1897/98: Bundesarchiv, Akte R 5/6624
– KED Cöln, Winter 1901/02: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin
– KED Essen, ab Okt 1897: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin
Und als weitere Fundsache, die wir uns heute hier näher ansehen wollen, hat mir unser HiForisti JensN (Jens Nestvogel) den Hinweis zu der in der Akte „Die durch die veränderte Einteilung der Direktionsbezirke bedingte Ausgleichung der Betriebsmittel, Bd. 2. Okt 1894 – Jan 1895“ enthaltene Anlage „Vertheilung der Personen- und Gepäckwagen des Direktionsbezirks Elberfeld auf die neuen Direktionsbezirke. Aufgestellt nach dem Stande vom 1. Juli 1894“ gegeben. – Hierfür schon mal hier: „Vielen Dank!“
Das ist zwar kein Zugbildungsplan, aber die Übersicht kommt dem doch sehr nahe.
Die Übersicht nennt für jede Station die dort stationierten Personen-, Gepäck- und vereinigten Post-Gepäckwagen und ordnet sie den jeweiligen Wagenzügen zu. Genannt werden die aktiven, die als Reserve vorgehaltenen und die in Reparatur befindlichen Wagen.
Im Ergebnis erhält man so einen Überblick über den kompletten 1894 vorhandenen Personenwagenpark und über die Struktur des Personenverkehrs.
Wenn man nun diesen Wagennummern die entsprechenden Bauarten eindeutig zuordnen könnte, hätte man ein tatsächliches Bild vom damaligen Personenverkehr. (Leider hilft das bildliche Verzeichnis der Personenwagen von 1897 nicht weiter, da wohl offensichtlich zwischen Juli 1894 und 1897 eine Umnummerierung stattgefunden hat.)
Schauen wir uns doch mal einige Erkenntnisse aus dieser Liste etwas näher an. (Falls sich jemand für diese Nummernübersicht interessiert, darf er sich gerne bei mir melden.)
Die Größe und Struktur des Wagenparks
Am Ende dieser 14 Seiten langen Liste folgt ein Strich und das Zauberwort „Zusammen:“ Demnach gab es zum Stichtag 1. Juli 1894:
– 1 Wagen: I. Klasse, der in Scherfede stationiert war und als „Königswagen“ geführt wurde
– 162 Wagen: I./II. Klasse
– 15 Wagen: I./II./III. Klasse
– 5 Wagen: II. Klasse
– 111 Wagen: II./III. Klasse
– 361 Wagen: III. Klasse
– 0 Wagen: III./IV. Klasse
– 142 Wagen: IV. Klasse
– 79 Personenzug-Gepäckwagen
– 181 Güterzug-Gepäckwagen
– 34 vereinigte Post- und Gepäckwagen
– 4 Revisionswagen
———————-
1.095 Wagen im Personenzugdienst
O.k., dass die größte Gruppe die Wagen der III.Klasse waren, finde ich jetzt nicht verwunderlich, aber ich war etwas erstaunt, dass es kaum reine II.Klasse-Wagen gab.
Alle Wagen waren übrigens 2- oder 3-Achser. Die Spalten für 4-Achser waren in der Übersicht zwar vorgesehen, aber offensichtlich gab es im Bereich der KED-Elberfeld keinen Bedarf hochwertige Personenzüge (mit 4-Achsern) zusammenzustellen. – Auch das: eine Erkenntnis… Ich hätte mir durchaus vorstellen können, dass Düsseldorf ein entsprechender Startpunkt gewesen wäre… Allerdings taucht nur Düsseldorf-Derendorf auf und auch nur als Station für Güterzuggepäckwagen, aber dazu dann später… War Düsseldorf also vor 1895 keine Zugbildungsstation der KED Elberfeld? *kratz am Kopf*
Schnellzüge
Aber zurück zu den Schnellzügen: Es gab sie!
Ganze drei Umläufe…
Der erste wird für die Station Elberfeld-Döppersberg ausgewiesen, nämlich den der Schnellzüge 99 und 80. (Über deren konkreten Verlauf ist mir leider derzeit nichts bekannt, aber vielleicht ändert sich das irgendwann ja noch … Hat nicht vielleicht jemand von Euch ein entsprechendes Kursbuch von Sommer 1894 vorliegen?)
Dieser Wagenzug bestand in der Grundzusammenstellung aus: 3x I./II. + 1 Pers.-Gepäckwagen => 4 Wagen.
(Übrigens war das der einzige zu Döppersberg gehörende Wagenzug. Alle anderen – immerhin 45 weitere Wagen – waren für die „zeitweilige Verstärkung“ anderer Wagenzüge vorgesehen.)
Die zweite Heimatstationen für Schnellzüge war Barmen-Rittershausen mit zwei Umläufen für die Züge Nr. 112, 114, 115 und 117. Die Basiszusammenstellung war jeweils: 2x I./II. + 1-2x III. + 2x Pers.-Gepäckwagen.
Verteilung der Wagen auf die Zugbildungsstationen
Insgesamt werden 62 Stationen aufgeführt, von Altena bis Warburg.
Die meisten Wagen – 180 Stück – waren dabei der Station Hagen zugeteilt. Hier gab es 13 feste Wagenzüge, die in 8 unterschiedlichen Turnussen verkehrten. Außerdem wurden noch Wagen für den „Wagenzug Altenbeken“, 26 Güterzuggepäckwagen und 63 Verstärkungswagen bzw. Wagen im Reparaturstand ausgewiesen. – Nur noch einmal zur Verbildlichung: In Hagen befanden sich damit 16 % des gesamten Personenwagenbestandes.
Etwas kleiner – 134 Wagen – war Barmen-Rittershausen. Hier waren es 11 Wagenzüge in 6 Turnussen, 6 Güterzuggepäckwagen und 59 Verstärkungswagen bzw. Wagen in Reparatur.
Alle weiteren Stationen waren spürbar kleiner:
– 69 Wagen: Siegen
– 49 Wagen: Elberfeld-Döppersberg
– 47 Wagen: Kalk
– 39 Wagen: Hattingen
Diese sechs Stationen beheimateten die Hälfte aller Personenwagen.
Wagen im Grundumlauf und in Reparatur bzw. zur Verstärkung
Von den 1.095 Wagen haben 375 den Status „Zur Verstärkung“ bzw. „Reparaturstand“. Also kann man sagen, dass rund 2/3 der Wagen für den Betrieb verplant waren und rund 1/3 die „Spielmasse“ bildeten.
Güterzuggepäckwagen
Eine Besonderheit waren die Güterzuggepäckwagen. Einerseits waren sie bei vielen Wagenzügen als fester Bestandteil vorgesehen. Andererseits werden sie aber auch bei vielen Stationen mit dem Vermerk „für x Güterzugpersonale“ aufgeführt. Im Cauer heißt es dazu unter dem Stichwort „Der Zugdienst – Die Bildung der Züge – Die Güterzüge und gemischte Züge“:
„Die Zusammensetzung der Güterzüge wechselt je nach den zur Beförderung gelangenden Wagen beständig. Der einzige bleibende Bestandtheil der Güterzüge ist der Packwagen, der, wie der Train des Personenzuges, seine Heimatstation hat.“ [Cauer 1897, S. 160]
Stationen, die demnach nur der Zugbildung für Güterzüge dienten, waren der Auflistung zufolge:
Köln-Deutz, Mülheim am Rh., Düsseldorf-Derendorf, Herdecke, Holzwickede, Soest, Hamm, Cassel R., Menden und Altenhundem.
Typische Wagenzusammenstellung
Nun ja, wenn man sich die Aufstellung so ansieht, dann kristallisieren sich schon „typische Wagenreihungen“ heraus:
– 1x II./III. + 1x IV. + PostP => 3 Wagen
– 2x II./III. + 1x IV. + PostP => 4 Wagen
Natürlich gab es auch alle anderen Reihungen, je nach Bedarf, aber die beiden obigen stellten wohl die „Grundfassung“ dar.
Und natürlich gab es auch Extremfälle:
Die kürzesten Züge:
– Ohligs, Personenzug 106: 1x III. + 1x Güterzug-Gepäckwagen => 2 Wagen
– Scherfede, Personenzüge 149 und 183: 1x III. => 1 Wagen (!)
– Bestwig, Schülerzug 198: 1x III.
Und die längsten Züge:
– Hagen, Personenzüge 239, 248, 241, 250, 67, 50, 55, 71, 78 und 81
– Altena, Personenzüge 400/405, 420/425
Beide Umläufe bestanden aus: 2x I./II. + 3x III. + 2x IV. + Pers.-Gepäckwg. => 8 Wagen
Und auch hier soll ein – etwas fantasievollerer – Blick das Ganze verbildlichen. Wir schauen mal auf diese „in Anlehnung an die Wirklichkeit“ colorierte Karte:
Ein Belegbild aus Küllenhahn
Der Aufstellung zufolge waren der Station Cronenberg für die Züge nach Elberfeld-Steinbeck folgende Wagen zugeordnet:
– 1393 und 1394: II./III.Klasse,
– 244, 245, 246: III. Klasse, wobei die beiden letzteren Wagen zur zeitweiligen Verstärkung vorgesehen waren und
– 3357: vereinigten Post-/Gepäckwagen
Zufälligerweise gibt es ein Foto, dass just diesen Post-/Gepäckwagen im Einsatz auf der Strecke nach Cronenberg belegt: *Klick*
Literatur
Einen herzlichen Dank geht an Jens Nestvogel, denn ohne denn Hinweis auf diese Aufstellung in der Akte wäre dieser Artikel nicht möglich gewesen.
Cauer I 1897
Cauer, Wilhelm: Betrieb und Verkehr der Preußischen Staatsbahnen : Ein Handbuch für Behörden und Beamte. 1. Band. Berlin : Springer, 1897. – 471 S. (1. Band)
GStAPK_I-HA-Rep93E-2659
„Vertheilung der Personen- und Gepäckwagen des Direktionsbezirks Elberfeld auf die neuen Direktionsbezirke. Aufgestellt nach dem Stande vom 1. Juli 1894“. Enthalten in der Akte „Die durch die veränderte Einteilung der Direktionsbezirke bedingte Ausgleichung der Betriebsmittel, Bd. 2. Okt 1894- Jan 1895″ im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin