BME (1863-1874): Erste Schnellzugloks mit schräggestelltem Rost

Bild 1: In der Skizze lässt sich der schräggestellte Heizrost gut erkennen. Dadurch konnte die Feuerbüchse ein ganzes Stück nach hinten über die hintere Kuppelachse gezogen werden. Gleichzeitig vergrößerte sich auch die Rostfläche erheblich, was wiederum zu einem Sprung in der Leistungsfähigkeit der Lokomotiven führte. [Skizze: Elberfeld 1891]
Größere Anforderungen forderten auch stärkere Lokomotiven. Anfang der 1860er Jahre war die 1B-Bauart bei den Schnellzug-Lokomotiven die übliche Bauform. Die durchhängende Feuerbüchse lag dabei in der Regel vor der hinteren Kuppelachse. Und da man üblicherweise über einen festen Achsstand von maximal 4,5 m nicht hinaus ging, waren damit auch die maximale Länge der Heizrohre und die Obergrenze der bis dato waagerechten Rostfläche vorgegeben.

Wenn man nun die Leistungsfähigkeit der Lokomotiven erhöhen wollte, musste man sich etwas einfallen lassen. Die Lösung war, den Rost schräg zu stellen. Einerseits wurde er dadurch größer und andererseits war es nun möglich den Rost weiter nach hinten über die hintere Kuppelachse zu ziehen. Die Dampfproduktion konnte hierdurch spürbar erhöht werden, so dass die ebenfalls vergrößerten Zylinder die gewonnene Energie in Zugkraft umsetzen konnten [Helmholtz/Staby 1930, S. 167f].

Der Feuerkasten nebst Rost ist unten schräg, und die hintere gekuppelte Achse der richtigen Lastverteilung wegen unter den Feuerkasten gelegt. Der Rost hat 17,4 Quadrat-Fuß Fläche, ist also bedeutend größer als bisher; die Rostfläche liegt in einem Verhältnis von etwa 1:2 ½ nach vorn geneigt, und ist der Länge nach in zwei Teile getrennt, von denen der vordere untere Teil zur Entfernung der Schlacken und zum Zwecke des Feuerausziehens zum Umkippen eingerichtet ist.

Das Brennmaterial kann aus feinen Kohlen bestehen, und wird oben etwa 6“ stark aufgegeben, die leicht flüchtigen Gase haben in der großen Feuerkiste Zeit und Raum, um sich mit Luft zu vermischen, und in der größeren Temperatur über den unteren Brennmaterialschichten zu verbrennen.
In dem tieferen Teil des Rostes befindet sich koksähnliche Kohle, die unter hoher Temperatur verbrennt und zur Dichtigkeit der Rohrwand wesentlich beiträgt. Die ausschließlich mit melierter Steinkohle (gewöhnliche Grubenkohle) geheizten Lokomotiven geben vorzüglich Dampf, qualmen sehr wenig, und entsprechen im Übrigen den gehegten Erwartungen.
[BME 1863, S. 33]

In Deutschland war diese Bauart neu. Was Borsig oder die BME dazu anregte, diese Bauart zu wählen, ist nicht bekannt. Jedenfalls scheint sich die Bauart sehr bewährt zu haben. Der Geschäftsbericht der BME berichtet 1863 nach der Inbetriebnahme der ersten Serie der Loks voller Stolz, dass die neuen Lokomotiven in der Lage waren auf den Steigungen von 1:76 bis 1:100 der Strecke Düsseldorf-Soest 27 Personenwagenachsen zu ziehen. [BME 1863, S. 33]

Und eine weitere Neuerung scheint bei den ab 1863 gebauten Lokomotiven Standard geworden zu sein: Der Geschäftsbericht erwähnt Dampfstrahlpumpen, die die „gewöhnlichen Speisepumpen“ ersetzen [BME 1863, Anh. S. 15]. Nähere Ausführungen zur Bauart und Funktionsweise macht der Bericht nicht, aber sie scheinen sich bewährt zu haben. Denn 1869 heißt es im Geschäftsbericht, dass die Dampfstrahlpumpen nach …

… nunmehr mehrjähriger Bewährungsfrist allgemein Eingang gefunden haben und sowohl als Ersatz für alte durch Verschleiß abgängig werdende Pumpen, als auch bei allen neu zu beschaffenden Maschinen angewendet werden.

Bei den neuen Maschinen geschieht die Anbringung der Strahlpumpen in horizontaler Lage unter dem Trittblech des Führerstandes. Diese Konstruktion hat den Vorteil, dass das Wasser selbst bei dem niedrigsten Stande im Tender von selbst zufließt, wodurch die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Arbeitsverrichtung eine wesentlich höhere geworden ist. [BME GB 1869, Anhang S. 30]

Ein Lieferzeitraum von elf Jahren ist in dieser Zeit, in der zahlreiche Erfindungen und Entdeckungen im Lokomotivbau gemacht wurden, eine lange Zeit. Daher verwundert es nicht, dass sich die einzelnen Lieferserien der bis 1874 beschafften 116 Lokomotiven in Feinheiten unterschieden und technische Entwicklungen eingearbeitet wurden. Die Grundform selber blieb aber über die komplette Lieferzeit unverändert.
Besonders erwähnenswert ist, dass 1874 sechs Lokomotiven auch direkt von der Königlichen Ostbahn beschafft worden sind.

 

Exkurs: Von Bautypen, Lieferabschnitten und Fertigungslosen

Ein Fertigungszeitraum von 12 Jahren geht nicht ohne Veränderungen an der Bauweise an den Lokomotiven vorbei. Um hier klare Unterscheidungen zu erreichen, ist eine eindeutige Verwendung der Bezeichnungen unerlässlich. Ich finde die folgende Systematik schlüssig, die in den Büchern über die sächsischen Schmalspurbahnen verwendet wird:

 

Gattung, Bauart

Diese Begriffe bezeichnen die Gesamtheit aller Lokomotiven, die sich durch eine ähnliche Bauart auszeichnen und die in einem logischen Zusammenhang gefertigt  wurden.

 

Bautyp

Lokomotiven einer Bauart können sich durch technische Fortentwicklungen in einzelnen technischen Bereichen nennenswert unterscheiden, obwohl die Grundbauform gleich bleibt. Diese ähnlichen Bauweisen werden als Bautyp bezeichnet

 

Lieferabschnitt

Lieferungen aus zusammenhängenden Jahren werden als Lieferabschnitt bezeichnet.

 

(Liefer-)Los

Lokomotiven mit fortlaufenden Fabriknummern stammen aus einem Liefer- oder Fertigungslos.

 

Die Lieferserien

Über die Jahre gab es vier verschiedene Bauformen, die im Folgenden jeweils kurz beschrieben werden.

1. Bautyp
112-117:                               Borsig (1526-1531/1863)
54“, 55“, 155, 56“:                Borsig (1795-1798/1865)

2. Bautyp
156-160:                               Borsig (1965-1969/1866)
225-234:                               Borsig (2009-2018/1867)
278-287:                               Borsig (2280-2289/1868)

3. Bautyp
354-367:                               Borsig (2550-2563/1870)
235“, 6“, 237“, 256“, 387:     Vulcan (331-335/1870)
418-424:                               Borsig (2757-2763/1871)
505-529:                               Hanomag (825-849/1872-73)

4. Bautyp
682-705:                               Borsig (3156-3167, 3194-3205/1874)
6 Loks der Kgl. Ostbahn:     Borsig (3150-3155/1874)

 

1. Bautyp: Lieferabschnitte von 1863 bis 1865 (10 Lokomotiven)

Lokomotiven Nr.: 112-117, 54“, 55“, 155, 56“

Aus heutiger Sicht boten die ersten Lieferserien von 1863 und 1865 ein ungewöhnliches Bild: Zwischen dem sehr hohen Schlot und dem zylindrischen, überhöhtem Stehkessel befanden sich zwei mächtige Dome auf dem Kessel. Der vordere war der übliche Dampfdom. Er saß sehr weit vorne, über der Laufachse. Wohingegen sich in dem zweiten Dom, der fast mittig über der vorderen Treibachse saß, der damals bei den Loks der BME übliche Schau’sche Kesselstein-Abscheideapparat befand.

In ihm wurde das Speisewasser vorgewärmt und von oben über mehrere Teller geleitet. Sinn war es im Speisewasser enthaltene mineralische Bestandteile abzuscheiden, um so die Lebensdauer des Kessels zu erhöhen. Dieser Apparat war bei den damaligen Loks der BME bis Mitte der 1860er Jahre durchaus üblich, hat sich aber nicht bewährt. Er wurde daher ab 1869 bei Neubauten nicht mehr verwendet und bei älteren Loks – wie zum Beispiel 1871 bei den Loks 114, 115 und 117 – wieder entfernt.

 

Exkurs: Kesselstein

Wasser und Kohle waren die „Grundnahrungsmittel“ der Dampflokomotiven. Zur Wasserversorgung nutzte man das vor Ort vorhandene Wasser, pumpte es in Wasserbehälter und befüllte damit die Wasserkästen der Lokomotiven. Leider hat unbehandeltes Wasser aber das Problem, dass je nach Landstrich mehr oder weniger Calcium- und Magnesiumsalze im Wasser enthalten sind. Diese entstehen wenn Wasser durch kalkhaltigen Boden sickert und auf diesem Weg im Boden vorhandene Calcium- und Magnesiumverbindungen auflöst. Wird dieses Wasser erwärmt, entweicht Kohlendioxid und die Calciumverbindungen wandeln sich in Kalk um, der sich an den Wänden und Rohren absetzt. [Wikipedia Kesselstein]

In Kesseln führt der Kesselstein zu Leistungseinbußen, da er ein sehr schlechter Wärmeleiter ist und sich vor allem auf den Heizflächen bildete. Gleichzeitig stellt Kesselstein auch ein Risiko dar, da Kesselstein wie ein Isolator wirkt und damit im Material Temperaturspannungen entstehen können. Als Folge können Schweißnähte Risse bekommen und sogar Kessel explodieren. [Wikipedia Kesselstein]

Die Eisenbahnunternehmen versuchten schon sehr früh dem Kesselstein entgegen zu wirken. Eine Strategie war zum Beispiel das Wasser vor der Nutzung im Lokschuppen abzukochen. Alternativ versuchte man mit Kesselstein-Abscheideapparaten diesen Prozess vom Lokschuppen in den Lokomotivkessel zu verlegen. Dabei funktionierten diese Apparate sehr ähnlich: Das bereits auf 50-70 °C vorgewärmte Wasser wurde über Teller oder Rinnen geleitet, die den Wasserstrom beruhigten und so den Schwebstoffen Zeit gaben sich auf den Oberflächen abzusetzen. Man schaffte also „Soll-Kristallisationsflächen“. [Hemholtz/Staby 1930, S. 393]

In den 1860er Jahre versuchte man verschiedene Wege dem Kesselstein beizukommen. Das Protokoll der Techniker-Versammlung der Deutschen Eisenbahn-Verwaltungen fasst die noch nicht geklärte Frage schön zusammen: [Organ 1866, S. 136]

„Alle Mittel, welche zur Verhütung des Kesselsteins im Kessel selbst angewendet worden sind, haben sich bis jetzt nicht derart bewährt, um dieselben mit Bestimmtheit empfehlen zu können, dagegen wird eine entsprechende Reinigung solchen Wassers, welches sehr stark kessel-steinbildend ist, vor seiner Verwendung empfohlen.“

 

2. Bautyp: Lieferabschnitte von 1866 bis 1868 (25 Lokomotiven)

Lokomotiven Nr.: 156-160, 225-234, 278-287

Bild 2: Fabrikbild der Lok 286 „BISTRITZ“
Im Deutschen Technikmuseum in Berlin haben sich Fotoalben der Maschinenfabrik Borsig erhalten [Borsig 1869]. In einem findet sich dieses Foto der Lok BISTRITZ der Bergisch-Märkischen Eisenbahn.

Signatur: VI.2.X 004 – 16 Titel: „A. Borsig. Berlin. 1868-1869“

Die Lok Nr. 286 BISTRITZ (Borsig 2288/1868) entstammt der letzten Lieferserie der zweiten Bauform. Der Dom mit dem Kesselstein-Abscheideapparat ist bereits entfallen. Der Dampfdom befindet sich aber weiterhin auf dem vorderen Kesselschuss.

Der Schau’sche Kesselstein-Abscheideapparat hat sich offensichtlich nicht bewährt. Im Geschäftsbericht der BME von 1869 heißt es dazu:

Derselbe hat bei dem hiesigen Speisewasser nicht den gewünschten Erfolg gehabt, indem der Niederschlag sich auf den kohlensauren Kalk beschränkte, während der verderblich wirkende schwefelsaure Kalk nach wie vor starke Inkrustrationen bildete, außerdem wurde bemerkt, dass sich unterhalb des Apparates zwischen den Siederöhren starke Anhäufungen von Kesselstein bildeten, der nur schwer beseitigt werden konnte.
[BME GB 1869, Anhang S. 30]

Als weitere Änderung der Bauform wechselte man ab der vierten Lieferserie (Nummern 225-234) auf den nach oben erweiterten Schornstein (Patent Prüßmann).

 

3. Bautyp: Lieferabschnitte von 1870 bis 1873 (51 Lokomotiven)

Lokomotiven Nr.: 354-367, 235“, 6“, 237“, 256“, 387, 418-424, 505-529

1870 veränderte die BME die Bauart der Feuerkisten. Die bisher gewölbte Kuppel wurde durch eine flache, nach beiden Seiten hin abgerundete Decke ersetzt, deren Versteifung durch eiserne Stehbolzen erzielt wurde (Belpaire-Stehkessel?). Hierdurch wurde der hintere Teil der Lok leichter, was dadurch ausgeglichen wurde, dass man den Dampfdom möglichst weit nach hinten setzte und die Zugkasten-Konstruktion verstärkte. Außerdem wurden die bisher üblichen Sicherheitsventile mit Meggenhoven’schen Federwagen durch Doppelventile nach Ramsbotton ersetzt. Der Zylinderdurchmesser wurde von 406 mm auf 432 mm vergrößert und die Krummzapfen entsprechend verstärkt. [BME GB 1870, Anhang S. 33]
Eine Skizze dieser Bauart – allerdings mit ergänzten Sandkasten vor dem Dampfdom – findet sich in dem Lokverzeichnis der KED Elberfeld von 1891 (Bild 1 in diesem Beitrag).

Bild 3: Deutlich lässt sich auf dieser Werbepostkarte der Hanomag bei der Lok SOMME (Hanomag 848/1873) die Bauart des Belpaire-Stehkessels mit seiner flacheren Kesseldecke erkennen. Außerdem ersetzte ein Doppelventil die bisherige Bauart, der Dampfdom sitzt vor dem Stehkessel und der Zylinderdurchmesser wurde um 26 mm vergrößert. [Helmholtz/Staby 1930, S. 168]

Bild 4: Fabrikbild der Lok 357 „BODE“
Auch dieses Bild stammt aus der Sammlung der Fotoalben der Lokomotivfabrik Borsig im Technikmuseum in Berlin.

Signatur: VI.2.X 003 – 04 Titel: „A. Borsig. Berlin. 1870-1875“

Die Lok BODE (Borsig 2553/1870) wurde – wie die meisten Loks der dritten Bauform – rund um die Jahrhundertwende ausgemustert. Nur eine Lok erhielt nach dem Nummernschema von 1906 noch eine neue Nummer.

 

Bild 5: Leider ist diese Skizze aus dem Lokverzeichnis der KED Cöln lrh von 1885 nicht maßstäblich. Daher wirkt die Lok etwas gestaucht und eigenartig proportioniert. Das Bild war den in Cöln verbliebenen Loks der Maschinenfabrik Vulcan zugeordnet. [Cöln lrh 1885]

4. Bautyp: Lieferabschnitte von 1874 (24 Lokomotiven)

Lokomotiven Nr.: 682-705, 6 Lokomotiven für die Kgl. Ostbahn

Bei den letzten 24 Maschinen wurde der Dampfdruck von 8 atm auf 10 atm erhöht. Ob es weitere Änderungen der Bauform gab ist nicht bekannt.

 

Umbauten

Lokomotiven dieser Gattung wurden über einen Zeitraum von über zehn Jahren gebaut. Da die technische Entwicklung nicht stillstand unterscheiden sich die einzelnen Bautypen untereinander. Daher ist es auch nicht unlogisch, dass ältere Maschinen bei anstehenden Untersuchungen oder Ausbesserungen den aktuellen Entwicklungen angepasst wurden. Bekannt ist zum Beispiel, dass bei einige Loks der Schau’sche Apparat nachträglich entfernt wurde (1871/72 bei den Loks 112, 114-117) und dass einige Maschinen im Rahmen einer Hauptreparatur zum Teil eine Erneuerung des Kessels bzw. neue Feuerkisten erhielten (1872/73: Loks 56“, 112, 114, 116, 117, 155-157, 160).

 

Einsatzgebiete und weiteres Schicksal

Das Haupteinsatzgebiet der Lokomotiven war der Schnellzug- und Personenzugdienst. Dank der gut preußischen Buchführung lassen sich anhand der Geschäftberichte die Kilometerleistungen der einzelnen Bauarten nachvollziehen. Demnach bestritten die Loks quasi allein den Schnellzugdienst und den Großteil der Personenzüge. Anhand des nebenstehenden Diagramms lässt sich das gut nachvollziehen. Ab den 1870er Jahren bestritten die Loks über 50 % des gesamten Personen- und Schnellzugverkehrs der BME. Man kann also fest davon ausgehen, wenn man mit dem Zug fahren wollte – insbesondere den hochwertigeren – hing eine dieser Loks vor dem Zug. Der Höhepunkt lag dabei zwischen 1873-1875, hier lag der Anteil bei 75 %. Danach traten die ältere Ruhr-Sieg Type (- im Diagramm: 2.4 -) für den Personenzugdienst und eine Personenzug-Tenderlok (4.4) in den Dienst und übernahmen Anteile des Personenverkehrs.

Aus den Geschäftsberichten lassen sich die im Personen- und Schnellzugverkehr erreichten Fahrleistungen der einzelnen Gattungen ablesen. Die Nummerierung folgt der Einteilung von Menninghaus. Es gelten folgende Zuordnungen:
Gruppen 1.1.3 und 1.2.2: Erste Generation der BME-eigenen Loks.
Gruppe 2.1: Zehn Loks der Bauart 1A1.
Gruppe 2.2: Erstausstattung der Ruhr-Sieg-Bahn (Zehn Lokomotiven)
Gruppe 2.3: Die hier besprochene Schnell- und Personenzuglok
Gruppe 2.4: Personenzugloks der „älteren Ruhr-Sieg-Type“
Gruppe 5.2: Von der Aachen-Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn übernommene Lokomotiven
Gruppe 4.4: Personenzugtenderloks

Richtige Belege für den Einsatz der Loks sind natürlich sehr selten. Aber auch hier wird man in den Geschäftsberichten fündig, man muss nur bei den Unfällen suchen:

  • Lok 518 „LEITHA“ war am 14. August 1873 Zuglok des Schnellzug XXIV.
    An dem Tag brach bei der Einfahrt in den Bhf Hagen die Vorderachse des Tenders.
  • Lok 229 „WEICHSEL“ war am 7. Dezember 1873 Zuglok des Courierzugs XXXI.
    An dem Tag brach zwischen Holzwickede und Unna die Hinterachse des Tenders.
  • Lok 522 „NIL“ beförderte am 11. Dezember einen Personenzug durch Grebenstein.
  • Lok 512 „ENNS“ beförderte am 27. November einen Schnellzug zwischen Aachen und Düsseldorf. Danach brach der Lok auf der Drehscheibe in Düsseldorf eine Achse des Tenders.

Zeitweise war die BME sogar so reichlich mit Lokomotiven dieser Bauart ausgestattet, dass bis zu sechs Maschinen zwischen 1869 und 1871 an die Hessische Nordbahn ausgeliehen werden konnten.

Leider endet die ausführliche Dokumentation in den Geschäftsberichten aber 1879, so dass man danach zu der weiteren Entwicklung und Nutzung der Loks nur noch relativ wenig sagen kann. Es scheint aber so, dass ihr Stern so langsam zu sinken begann. Denn 1883, bei der Überführung der BME in die KED Elberfeld waren die ersten sechs Loks bereits ausgemustert. Fünf gelangten zur KED Cöln (lrh) (154-157, 181) und sieben zur KED Erfurt (Erf 234-240). Nur 98 Loks der ursprünglich 116 Maschinen kamen in den Bestand der KED Elberfeld.

Bereits acht Jahre später (1891) waren im bebilderten Verzeichnis der Elberfelder Lokomotiven nur noch 69 Maschinen verzeichnet. Acht Loks sind 1886 an die KED Cöln rrh (Crr 267-274) abgegeben worden. Der Rest war bereits ausgemustert worden. [Elberfeld 1891]

Die nächste Quelle ist die „Vertheilung der Lokomotiven des Direktionsbezirks Elberfeld auf die neuen Direktionsbezirke“ vom Juli 1894. Hier sind es nur noch 51 Maschinen dieser Bauart. Sie waren in Hagen (16 Loks), Elberfeld (8 Loks), Barmen-Rittershausen (8 Loks), Scherfede (5 Loks), Holzwickede (3 Loks), Kalk (3 Loks), Düsseldorf Hbf (3 Loks), Arnsberg (2 Loks) und je eine Lok in Hattingen, Cassel und Bestwig stationiert.

Da in den drei Jahren zwischen dem Lokverzeichnis von 1891 und der Stationierungsübersicht von 1894 keine Lok-Abgaben an andere KED bekannt sind, muss davon ausgegangen werden, dass die anderen 18 Lokomotiven schon ausgemustert wurden. [Elberfeld 1894]

In den nächsten zwölf Jahren ist dann auch das Ende der übrigen Loks gekommen. Nur zwei Maschinen haben 1906 noch das neue Nummernsystem erreicht und wurden als ESSEN 1551 und 1552 geführt. Wann diese Loks ausgemustert wurden, ist leider nicht bekannt.

 

Technische Daten

 

Bildquellen

Bild 1: Skizze von 1891
Im Verzeichnis der Lokomotiven und Tender des Eisenbahn-Direktionsbezirks Elberfeld von 1891 findet sich diese Zeichnung.

Fabrikbild der Lok 56“ HAVEL“
Das Fabrikbild wurde an folgenden Stellen veröffentlicht:
[Helmholtz/Staby, S. 168]:      Hier ohne Bildhintergrund. => Im Nachdruck beste Qualität aller bisherigen Versionen.
[Hütter/Pieper 1992, S. 27]:   Hier mit Bildhintergrund. Angegebene Quelle: [Helmholtz/Staby 1930] – Das ist aber fehlerhaft, da dort das Bild mit wegretuschierten Hintergrund abgebildet ist.
[Menninghaus 1990, S. 136]: Hier ohne Bildhintergrund. Angegebene Quelle: „Sammlung Krause“. Hiermit wird der Mitautor des Buches, Günter Krause, gemeint sein.

Bild 2: Fabrikbild der Lok 286 „BISTRITZ“
Im Deutschen Technikmuseum in Berlin haben sich Fotoalben der Maschinenfabrik Borsig erhalten [Borsig 1869]. In einem findet sich dieses Foto der Lok BISTRITZ der Bergisch-Märkischen Eisenbahn.
Signatur: VI.2.X 004 – 16 Titel: „A. Borsig. Berlin. 1868-1869“

Bild 3: Fabrikbild der Lok 528 „SOMME“
Quelle dieses vielfach gedruckten Fabrikbildes ist eine Lokomotiv-Postkarte von Hanomag.

Bild 4: Fabrikbild der Lok 357 „BODE“
Auch dieses Bild stammt aus der Sammlung der Fotoalben der Lokomotivfabrik Borsig im Technikmuseum in Berlin.
Signatur: VI.2.X 003 – 04 Titel: „A. Borsig. Berlin. 1870-1875“

Bild 5: Skizze von 1885
Im Verzeichnis der Lokomotiven und Tender des Eisenbahn-Direktionsbezirks Cöln rechtsrheinisch von 1885 findet sich diese Zeichnung. Leider ist sie nicht maßstäblich, wodurch die Proportionen verfälscht dargestellt sind.

 

Literatur

BME GB 18xx
Bergisch-Märkische Eisenbahn (Hrsg.): Jahres-Bericht über die Verwaltung der Bergisch-Märkischen Eisenbahn für das Geschäftsjahr 18xx. Elberfeld : Sam. Lucas, 18xx

Borsig 1869
A. Borsig: 1868-1869. Fotoalbum. – Bestand Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin. – Signatur VI.2 – X 004. Bild 16

Borsig 1875
A. Borsig: 1870-1875. Fotoalbum. – Bestand Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin. – Signatur VI.2 – X 003. Bild 04

Cöln 1885
Königliche Eisenbahndirektion Köln (linksrheinisch): Verzeichnis der Lokomotiven und Tender. Druck von Dietz & Baum, Köln 1885. Druckschrift mit drei gedruckten Nachträgen: Nachtr. 1 (o.J.), Nachtr. 2 (1892) und Nachtr. 3 (April 1894). – Besitz: Deutsches Museum München

Elberfeld 1891
Verzeichniß der Lokomotiven und Tender des Eisenbahn-Direktionsbezirks ELBERFELD. Maß-stab der Zeichnungen 1:50 der nat. Größe. Aufgestellt im maschinentechnischen Büreau der Königlichen Eisenbahn-Direktion 1891. – Bestand der Unibib Aachen (Sign: FE315)

Elberfeld 1894
Vertheilung der Lokomotiven des Direktionsbezirks Elberfeld auf die neuen Direktionsbezirke. Aufgestellt nach dem Stande vom 1. Juli 1894. – Bestand: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Signatur Rep. 93 C Abt E Nr. 2659

Helmholtz/Staby 1930
Helmholtz, Richard von; Staby, W.: Die Entwicklung der Lokomotive. Im Gebiete des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen. I. Band 1835 – 1880. Verlag von R. Oldenbourg, München 1930

Hütter/Pieper 1992
Hütter, Ingo; Pieper, Oskar : Gesamtverzeichnis deutscher Lokomotiven. Teil 1: Preußen bis 1906 – Band 1. Köln : Schweers + Wall, 1992

Menninghaus 1990
Menninghaus, Werner; Krause, Günter; van Kampen, Manfred : Bergisch-Märkische Eisenbahn (1843–1881) : Ausbesserungswerk Witten Lübbecke : Uhle und Kleimann, 1991.

Organ 1866
Heusinger von Waldegg, Edmund (Hrsg.): Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens in technischer Beziehung. Fortschritte der Technik des Deutschen Eisenbahnwesens in den letzten acht Jahren. Nach den Ergebnissen der am 11. bis 16. September 1865 in Dresden abgehaltenen Techniker-Versammlung der Deutschen Eisenbahn-Verwaltungen. C.W. Kreidel’s Verlag, Wiesbaden 1866. – Bestand: Bibliothek des Ruhrgebietes

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