Wie wären die Pferde 1881 zum CHIO nach Aachen gekommen?

O.k., damals gab es den CHIO noch nicht, der fand erst zum ersten Mal 1924 statt, aber rein theoretisch… wie wären die „edleren Pferde“ transportiert worden?

Tiertransporte gab es auf der Bahn ja grundsätzlich schon immer. Allerdings hat man schnell zwischen „Pferden“ und „Pferden“ unterschieden.
Die einen Pferde waren einfach nur „Vieh“, dementsprechend waren die Preise für den Transport:

Die „anderen“ Pferde hingegen waren etwas besonderes…:

 

Einen Nachlass von 33 % erhielten Rennpferde für den Transport von oder zu den Rennorten und Vollblut-Mutterpferde, wenn sie denn zu oder von Landesgestüten oder den von den Landesgestüten eingerichteten Beschälstationen transportiert wurden.

In den Tarifvorschriften gibt es hierzu ein wunderbares Beispiel Amtsdeutsch, das ich Euch nicht vorenthalten möchte:

Zwei Drittel der nach den vorstehenden Kilometersätzen sich ergebenden Streckenfracht
unter vorschriftsmäßiger Abrundung der etwa überschießenden Pfennige und unter Zuschlag
der vollen Abfertigungsgebühr von 1 Mark für das Stück werden erhoben:

a) für Rennpferde bei der Beförderung nach dem Orte des Rennens, sowie bei der Rückbe-
förderung nach der Absende- oder einer anderen Station, sofern bei der Aufgabe durch ein
Attest des das Rennen leitenden Comités oder des General-Sekretariats des Union-Klubs in
Berlin nachgewiesen wird, daß die Pferde zu dem Rennen angemeldet sind bezw. daran Theil
genommen haben;

b) für Vollblut-Mutterpferde wie für die etwa dazu gehörigen Fohlen bei der Beförderung
von den Landesgestüten oder an dieselben, sowie bei der Beförderung nach und von den
von den Landesgestüten eingerichteten Beschälstationen, wenn durch Bescheinigung der
betreffenden Gestüt-Direktion oder des General-Sekretariats des Union-Klubs in Berlin dar-
gethan wird, daß die Pferde der Beschälung wegen zu einem dem Standort nach näher be-
zeichnenden Hengste gesandt werden oder von da zurückkehren.

Ebenso spannend und gewohnt kompliziert wird es bei den Fahrtkosten für die begleitenden Personen. Im Tarif heißt es:

Die Begleiter solcher Renn- und Vollblut-Mutterpferde werden in der 3. Wagenklasse auf eine
Fahrkarte der 4. Klasse, und, sofern sie im Pferdewagen Platz zu nehmen haben, zum Fahrpreise
von 2 Pf. für die Person und das Kilometer befördert. Soweit auf einzelnen Linien die 4. Wagen-
klasse nicht eingeführt ist, wird bei Beförderung der Begleiter in der 3. Klasse ebenfalls nur ein
Fahrpreis von 2 Pf. für die Person und das Kilometer erhoben.

Das ist ein erster Hinweis, dass die Luxuspferdewagen in Personenzügen liefen.
Konkreter ist da die Aussage von Adolf Scholz im Buch „Der Güter-Expeditionsdienst der Bergisch-Märkischen Eisenbahn“ von 1873.
Hier heißt es im Kapitel „Leichen-, Vieh- und Fahrzeug-Transporte“:

Pferde in besonders eingerichteten Stallwagen werden in Personenzügen befördert; andere Pferde-
transporte nur insoweit, als es für Eilgut zugelassen ist und als ohne den Zweck des Zuges zu stören
es im einzelnen Falle möglich erscheint.

Im Meyers Großen Konversations-Lexikon wird wiederum darauf hingewiesen, dass zweimal im Jahr ein besonderes Kursbuch für die Pferde- und Viehbeförderung herausgegeben wurde. In einem Bestandsverzeichnis eines Archivs ist mir mal der folgende Titelvermerk begegnet:

Kursbuch für die Beförderung von Vieh und Pferden auf den deutschen Eisenbahnen, 6. Ausgabe vom Sommer 1905

Das würde bedeuten, dass dieses Kursbuch seit Winter 1902/1903 erschienen ist.

Aber wenden wir uns doch noch mal den Wagen zu und schauen dafür noch mal ca. 20 Jahre früher in die Bestandsverzeichnisse. Es lassen sich zum Beispiel folgende Luxus-Pferdewagen finden:

 

Bergisch-Märkische Eisenbahn / KED Elberfeld

BME Nr. 29857-29858, Gastell & Harig, Mainz, 1852
Radstand 3,000 m, Kastenlänge 4,710 m, Ladefähigkeit 5.000 kg, Eigengewicht 5.900 kg, Länge der Ladefläche 4,6 m, Bodenfläche 11,2 m²
Innere Länge 4,60 m, Breite 2,40 m, Höhe der Seitenwände 2,12 m
1884 stationiert in Düsseldorf
Nr. 29857: 1886 nicht mehr im Wagenverzeichnis
Nr. 29858: ausgemustert nach 1886

BME Nr. 29861, Bremswagen,
Radstand 3,000 m, Kastenlänge 4,786 m, Ladefähigkeit 5.000 kg
Innere Länge 4,60 m, Breite 2,40 m, Höhe der Seitenwände 2,12 m
1884 stationiert in Elberfeld D.
1886 nicht mehr im Wagenverzeichnis

BME Nr. 29602, Weyer & Co, Düsseldorf, 1878, Bremswagen
Radstand 4,000 m, Kastenlänge 7,200 m, Ladefähigkeit 5.000 kg, Eigengewicht 9.500 kg, Länge der Ladefläche 7,1 m, Bodenfläche 17,8 m²
Innere Länge 7,15 m, Breite 2,47 m, Höhe der Seitenwände 2,39 m
1884 stationiert in Düsseldorf
ausgemustert nach 1886

BME Nr. 29603, Thielemann, Eggena & Co. Cassel
Radstand 3,048 m, Kastenlänge 4,876 m, Ladefähigkeit 5.000 kg, Eigengewicht 5.750 kg, Länge der Ladefläche 4,7 m, Bodenfläche 11,9 m²
Innere Länge 4,70 m, Breite 2,46 m, Höhe der Seitenwände 2,40 m
1884 stationiert in Cassel
ausgemustert nach 1886

 

Rheinische Eisenbahn / KED Cöln (lrh)

RhE 2101-2106, G. Talbot & Cie, Aachen, 1873
Fassungsraum für 3 Pferde und 2 Mann Eigengewicht 7.300 kg, Tragkraft 10.000 kg
KED Cöln (lrh) Nr. 3281-3286
1882 Umzeichnung in Nr. 4651-4656

Außerdem hatte die KED Cöln (lrh) 1882 noch folgenden Luxus-Pferdewagen im Bestand:

KED Cöln (lrh) Nr. 900
ex Saarbrücker Bahn
1882 Umzeichnung in Nr. 4691

 

KED Cöln (rrh)

Revision und Unterhaltung aller Luxus-Pferdewagen in der Hauptwerkstätte Lingen
[Quelle: KED Köln rrh: Wagen-Nationale, Köln 1881]

KED Cöln (rrh) Nr. 19991
ex KME
Bedeckter Viehwagen (Luxus-Pferdewagen à 6 Pferde), ohne Bremse
Eigengewicht 6.200 kg, Bodenfläche 14,8 qm, Tragfähigkeit 4.000 kg
Eisernes Untergestell
1882 Umzeichnung in Nr. 8484

KED Cöln (rrh) Nr. 19992
ex KME
Bedeckter Viehwagen (Luxus-Pferdewagen à 6 Pferde), mit Bremse
Eigengewicht 7.200 kg, Bodenfläche 14,8 qm, Tragfähigkeit 4.000 kg
Eisernes Untergestell
1882 Umzeichnung in Nr. 8485

KED Cöln (rrh) Nr. 19996-19998
ex KME
Bedeckter Viehwagen (Luxus-Pferdewagen à 4 Pferde), ohne Bremse
Eigengewicht 6.200 kg, Bodenfläche 12,4 qm, Tragfähigkeit 4.000 kg
1882 Umzeichnung in Nr. 8486-8488

Man wird wohl davon ausgehen dürfen, dass auch die anderen Bahngesellschaften Luxus-Pferdewagen in ihren Beständen hatten.
Etwas später – so kurz vor der Jahrhundertwende – sind dann die ersten Luxus-Pferdewagen als Privatwagen belegt. So zum Beispiel der 1896 von der Aktiengesellschaft für Fabrikation von Eisenbahnmaterial zu Görlitz gebaute Privatwagen der in Lechenich ansässigen Pferdezucht von Georg von Bleichröder „KOELN 4155“.

So weit für heute… Mal sehen, vielleicht tauchen ja mit der Zeit weitere Mosaiksteinchen zu diesen Spezialwagen auf…

 

Quellenverzeichnis

Bei der Erstellung dieses Beitrags hat mich Jens Nestvogel mit Informationen unterstützt. Herzlichen Dank!

Meyers 1909:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 144-146 [www.zeno.org]

Scholz 1873
Der Güter-Expeditionsdienst der Bergisch-Märkischen Eisenbahn. Elberfeld 1873

Tarif 1895
Königl. Preußische Staatsbahnen, Großherzgl. Oldenburgische Staatsbahnen sowie angeschlossene Privatbahnen: Tarif für die Beförderung von Leichen, lebenden Thieren und Fahrzeugen. Theil II. Besondere Bestimmungen nebst Kilometerzeiger und Frachtsätzen. Gültig vom 1. April 1895

Wagenstandsverzeichnisse
Diverse Wagenstands- und Nummerierungsverzeichnisse der BME, RhE, KED Cöln (lrh), KED Cöln (rrh) und Elberfeld.

 

Versionsgeschichte

1. Version: 05.07.2024