Unser heutiges Bild führt uns zum „Haltepunkt Gevelsberg“, der an Kilometer 17 der Bergisch-Märkischen Stammstrecke von Elberfeld nach Hagen zu finden ist.
Die Strecke schlängelt sich in beträchtlicher (Höhen-)Entfernung vom Ort am Hang entlang, weswegen schon sehr früh der Haltepunkt Gevelsberg auf den reinen Personenverkehr reduziert worden ist.
In der Beschreibung der Bahnstationen von 1879 heißt es bereits: [Anonym 1879]
„Die östlich von Gevelsberg und südlich von Haufe liegende Station Gevelsberg ist nur noch für Personen-Verkehr eingerichtet. Auf dem Bahnhofe befindet sich das Stationsgebäude.
Der Güter-Verkehr der Station, welcher früher in Empfang von Kohlen, Eisen, Stahl und Getreide, sowie in Versand von Eisen- und Stahlwaaren bestand, ist nunmehr auf die für die An- und Abfuhr günstiger gelegene Thalstation Gevelsberg-Haufe übergegangen.“
Auf dem Ausschnitt aus dem Messtischblatt ist zu erkennen, dass da wirklich nicht mehr als der Haltepunkt war:
Der Blick geht von der Böschung auf der Südseite über die Bahn auf die beiden Stationsgebäude. Rechts steht das ursprüngliche, auf der Bergseite befindliche Gebäude und gegenüber, talseitig, das 1899/1900 errichtete zweite Gebäude, dass den Fahrgästen in Richtung Wuppertal das zweimalige Queren der Gleise ersparen und einen Regenschutz bieten sollte. [dso-HiFo 2010]
Mit diesen Informationen lässt sich der Aufnahmezeitpunkt der Ansichtskarte, die am 22.12.1900 gestempelt worden ist, auf den Zeitraum 1899/1900 eingrenzen.
Die Zuglok lässt sich als eine Lok der Gattung P 4 identifizieren. Auch wenn es auf der Karte schlecht zu erkennen ist, so scheint doch ein „normal“ herauskragender Zylinder erkennbar zu sein. Damit würde es sich um eine Lok nach der Normalie M III-1d (spätere P 4.1) handeln.
Wenn es sich um eine Verbundlok – spätere P 4.2 – handeln würde, müsste der Zylinder größer sein. Auch ist es so, dass der Rahmen ohne Abstufung durchgeht. Bei der Verbundlok müsste er in Höhe der Treibachse eine Stufe haben.
Dies passt gut zu der „offiziellen Überlieferung“. Thomas Samek schreibt in seinem Buch über die P 4: [Samek 1999]
„Im Jahre 1892 beschaffte die KED Elberfeld acht P4 Bauart Erfurt, sechs Maschinen gingen aber bereits 1895 an die KED Cassel, eine weitere wurde für den Zeitraum 1899 bis 1902 der KED Frankfurt zugeteilt.
In den Jahren 1894/95 wurden noch 11 Maschinen der Bauart Hannover angeliefert. Ab 1900 bis 1904 beschaffte die Direktion dann 34 P4². [..]“
Demnach verfügte die KED Elberfeld zum Zeitpunkt der Aufnahme über eine Lok der Bauart „Erfurt“, über 11 Maschinen der Bauart „Hannover“ und je nach Abnahmezeitpunkt über maximal 7 Verbundloks. Also ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine Lok der Bauart „Hannover“ handelt, sehr groß.
Unterstützt wird die Zuglok durch eine vorangesetzte Tenderlok. Welche Loks um 1900 Vorspanndienste versahen, ist mir derzeit nicht bekannt. Von der Form der Führerhaus-Rückwand könnte es sich um eine Elberfelder T 9 handeln, aber ob dem so ist…? Wohl kaum…
Jedenfalls war die Strecke Hagen – Schwelm mit einer stärksten Steigung von 1:76 eine der Strecken, die regelmäßig Schiebehilfe erforderten.
Bleibt als letztes die Überlegung, um was für einen Zug es sich wohl handeln mag. Ich vermute mal einen Personenzug, denn bei einem Güterzug würde man kaum eine eher für Personenzüge ausgelegte P4 einsetzen und mit einer Tenderlok Vorspann leisten.
Als Nebeninformation: Kurz vor der Jahrhundertwende diskutierte man, dass doch bitte 4-fach gekuppelte Güterzugloks als Vorspann anstatt zwei Vorspannloks eingesetzt werden sollten.
Demgegenüber ist der hier vorliegenden Fall doch etwas leichtgewichtiger…
Und als nächstes Indiz scheint mir der Zug im Bahnhof zu stehen. (Der Dampf weht in Zugrichtung, wenn der Zug fahren würde, müsste er in Gegenrichtung wehen. Außerdem scheinen mir die beiden Personen am Gleis doch sehr entspannt…)
Der Schattenwurf scheint mir auch eher etwas kurz und aus Süden kommend, womit wir rund um die Mittagszeit wären. Ich habe mal einen Auszug aus dem 1900/01 Winterkursbuch für die Strecke eingescannt [KED Köln 1900]. Wahrscheinlich lag der Aufnahmezeitpunkt zwar im Sommerhalbjahr, aber es gibt eine grobe Vorstellung vom Zugverkehr…
(Und wenn es den gleichen Zug im Sommerhalbjahr gegeben hätte, würde ich auf den durchgehenden Personenzug 410, von Soest über Unna, Schwerte, Hagen, Barmen, Elberfeld, Vohwinkel, Düsseldorf nach Neuss und von dort weiter nach Aachen, tippen. Aber das ist natürlich nur eine Vermutung…)
Und als Abschluss des Ganzen gibt es jetzt noch die Postkarte als Ganzes:
Quellen:
Anonym 1879
Darstellung der Produktions- und Verkehrs-Verhältnisse im Gebiet der Bergisch-Märkischen Eisenbahn geordnet nach den Commissionsbezirken Aachen, Düsseldorf, Essen, Hagen, Altena, Cassel. Elberfeld : Friderichs & Co, 1879
Ansichtskarte 1900
„Gruss vom Bahnhof Gevelsberg“. Verlag Gust. Huchel. – Gestempelt am 22.12.1900
dso-HiFo 2010
Beitrag „Eindeutig Gevelsberg“ im Diskussionsstrang „Unbekannter Bahnhof – wer kennt den Aufnahmeort?“. In: Drehscheibe online. Historisches Forum. URL: https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?017,4930020,4933558#msg-4933558 (Abgerufen: 13. Juni 2022, 00:09 UTC)
Elberfeld 1890
Übersichtskarte des Eisenbahn-Direktions-Bezirks Elberfeld. Maassstab 1:240000. Coeln: Aubeldruck-Anst.v.C.F.Kaiser, 1890
KED Köln 1900
Königliche Eisenbahn-Direktion Köln (Hrsg.): Westdeutsches Eisenbahn-Kursbuch : Gültig ab 1. Oktober 1900. Köln : Kölner Verlags-Anstalt, 1900. – 388 S.
Messtischblatt Hagen 1907
Königl. Preuss. Landes-Aufnahme: Meßtischblatt 2652 „Hagen in Westfalen“ : Stand 1892, berichtigt 1907 (vermutlich diese Ausgabe). Berlin : Reichsamt für Landesaufnahme, 1907
Samek 1999
Samek, Thomas: Die Baureihe 36. Freiburg, EK-Verlag 1999.
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Bahnhof: Gevelsberg
Strecke: Neuss – Düsseldorf – Elberfeld – Hagen – Unna – Soest (Nr. 97)
Zeit: 1895-1906
Baureihe: M III-1d (spätere P 4.1)